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1. Etappe - Wien & Livorno & Cannes
Jetzt geht es also los ...

6.7. Donnerstag: die erste Etappe ist gut gegangen. Ich sitze jetzt mittlerweile vor meinem Zelt, habe mein Stühlchen und den Tisch aufgebaut und lasse den Tag so an mir vorbeilaufen ...

... aber der Reihe nach. Ich werde mal dort fortsetzen, wo ich gestern aufgehört habe. Tatsächlich sind dann in Meidling noch einige Personen zugestiegen. Wie erwartet kamen sie von der Arbeit und sind dann in Wiener Neustadt ausgestiegen. Bis auf einen jungen Knaben ;-). Wir kamen dann gleich ins Gespräch und er erzählte mir, dass er eigentlich Kunststudent ist, sein Studium wegen des Zivildienstes aber unterbrochen hat und jetzt mehr oder weniger professionell Musik betreibt - sein Instrument ist ein Blasmusikinstrument mit Tasten ... also eine Melodika. Findet man in einer "Band" sehr selten. Ich habe dann noch in ein Demoband hineingehört, und was ich da zu hören bekommen habe, hat mir gut gefallen. So eine Mischung aus Wienerisch, Swing und Groove - ganz passabel. Nachdem er sich auch ein Bier genehmigt hatte und anscheinend nicht so eine antrainierte Blase hatte, verschwand er dann kurz mal. Wie auf dieses Stichwort gewartet - also sein Verschwinden, öffnet sich die Abteiltür und ein schmächtiger Jüngling fragt mich, ob er sich dazusetzen kann, weil es ihm nebenan langweilig ist. Das Deutsch nicht seine Muttersprache ist, war gleich mit dem ersten Wort klar. Was sich dann aber in den nächsten drei Stunden an Gesprächen entwickelt hat, war echt krass und es zeigte mir mal wieder, dass Zugfahren im Abteil doch um Klassen besser ist, als im Liege- oder Schlafwagen die Zeit zu verschlafen. 
Mittlerweile war auch der Musiker wieder zurück, schaute den neuen Gast an, dann mich und wirkte doch etwas irritiert (um es gleich vorwegzunehmen - ich war beim Anblick und beim Auftreten des neuen Gesprächspartners auch leicht irritiert). Uns war beiden im Nachhinein die Intention seines Besuchs nicht klar - es machte am Anfang den Eindruck, als wollte er uns ausfragen, eventuell uns von einigen netten Habseligkeiten befreien oder so etwas Ähnliches). Es kam dann aber vollkommen anders.
Er trug um seinen Hals eine sehr protzige, goldfarbene Kette, die aus 20 pompös gefertigten Gliedern bestand. Die Anzahl der Glieder stellte sich im weiteren Abend heraus, da diese dann noch abgezählt wurden. Die Kette klimperte eigenartig, so, wie wenn eine Kunststoffkette scheppern würde. Er meinte jedoch, dass er diese Kette heute bei einem Juwelier für 4.000€ erstanden hatte und jetzt wieder auf dem Weg zurück nach Klagenfurt zu seiner Familie sei. Der Musiker und ich, wir konnten uns beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese Kette tatsächlich aus 585er Gold war. Wir teilten ihm dann auch unsere Bedenken mit. Er zog daraufhin eine Visitenkarte hervor, die die Adresse des Juweliers auch mit der Adresse der Homepage zeigte. Eine Adresse im 10. Bezirk auf der Quellenstraße, die Webadresse übers Handy kontrolliert, verlief erwartungsgemäß ins Leere. Tja, meinte er, dann müsste er wohl morgen wieder nach Wien fahren und die Kette zurückbringen. Zwischenzeitlich stellte sich noch heraus, dass er Koch ist - ich schreib jetzt nicht wo und in welchem Restaurant, das wäre unfair und die Anonymität soll ja gewahrt bleiben. Er verdient im Monat 2..000€ und hat für seine Zwillinge (2 Jahre) in seinem östlichen europäischen Heimatland zwei Wohnungen - vollkommen identisch - für je ca. 20.000€ hergerichtet. Nicht übel für ein Alter von 25 Jahren - seine Altersangabe durchaus glaubhaft!
Soweit so gut - oder besser so weiter so schräg. Die Kette war abgehakt, er ließ sich nicht davon abbringen, dass es tatsächlich 585 Gold wäre. Dann meinte er, ob wir oder ich, nicht noch etwas zusammenrechnen könnten. Er holte aus seiner Tasche ca. 8 Schuldscheine vom Auktionshaus Dorotheum in Wien hervor, die alle bis spätestens Ende Oktober fällig würden, insgesamt eine Summe von 2.130€ (ich hab's addiert) ... tja, lassen wir das mal so stehen.
Soweit so gut, aber es wird noch schräger ... Irgendwie hatten wir mitbekommen, dass er nicht gut rechnen konnte, daher sollten wir ja auch die Schuldscheine zusammenzählen. Was dann aber kam, ließ uns dann endgültig stutzig werden. Er meinte, er müsse sich auch noch um seinen 18jährigen Sohn von seiner ersten Frau kümmern. Tja, mal kurz nachgerechnet und da kam ja irgendetwas nicht hin - er 25 und sein Sohn 18 - das bedurfte eines sehr intensiven Hinterfragens. Als Möglichkeiten kamen ja noch die Sprachbarriere hinzu (wir hatten ihn vielleicht falsch verstanden) oder er hatte als erste Frau vielleicht eine wesentlich ältere Frau mit einem Kind. Wie gesagt, mal nachgefragt, wie sich das in seinem Alter hätte ausgehen sollen ... Da konnte er dann rechnen. Er war sieben Jahre und hatte sich in ein Mädel mit dem zarten Alter von 8 Jahren verliebt. Sein Vater meinte wohl noch, sie müssten aufpassen, mit Gummi und so, aber der Rat war wohl ins Leere gegangen und seine Freundin hatte dann mit 8 oder 9, das wusste er nicht mehr so genau, ihr gemeinsames Kind bekommen. Meine Andeutung, dass das ja wohl eine ziemliche medizinische Sensation war, bejahte er. 
Erstaunlich war in diesem Zusammenhang, dass er von seinem 18jährigen Sohn und alles was damit zu tun hatte, immer von "er muss das erledigen" sprach. Die Nachfrage was "er" bedeute, beantwortete unser Gast mit einem Fingerzeig auf sich. Jetzt gibt es ja eine ganze Menge Leute, die von sich in der dritten Person erzählen - da musste also auch mal nachgefragt werden. Dass er Koch ist und am Wochenende so ca. "200-300 Pippis" verarbeiten muss, war ziemlich glaubhaft. Also mal kurz hinterfragt, wer denn das alles kocht - die Antwort war "ich" - Nachfrage nach dem 18jährigen Sohn - "er" ist dafür zuständig - Nachfrage: wer "er", Fingerzeig auf sich. So ein paarmal Hin- und Her ... also immer "er" und "ich" - jetzt kann sich jeder mal sein eigenes Bild machen. Später ist dem Musiker und mir der Gollum aus Herr der Ringe eingefallen - hatte etwas von diesem - auch die Art wie er uns seine Geschichte präsentierte - also eine gespaltene Persönlichkeit. 
So, dabei belasse ich es mal - es gab noch ein paar andere sehr interessante Dinge, wie etwa das, von ihm und vielen anderen fotografierte Wolkenbild mit einer Jesus Erscheinung als Wolkenformation. Er zeigte uns das Bild am Handy - eine ganz passable Photoshop Kreation - aber vielleicht liege ich auch total falsch ;-).
Kurz vor Klagenfurt verabschiedete sich unser Gast und setzte sich dann noch in "sein" Abteil. Der Musiker - auch diesen Namen werde ich nicht erwähnen - wurde im Laufe der Unterhaltung immer stiller und seine Beteiligung am Gespräch war zum Ende hin doch recht dürftig. Er meinte - und ich kann aus seiner Sicht nachvollziehen - dass er zu empathisch wäre und es ihm einfach zu viel geworden wäre.

ABER ... und das war es, was ich eingangs erwähnt habe, 3 Stunden ununterbrochenes Gespräch, Hinterfragen, spannende Geschichten ... und ... Ihr könnt mir das jetzt glauben oder auch nicht - es war tatsächlich so ... genauso hat es sich abgespielt - auch wenn ich hier nur eine "Kurzfassung" bringen kann - der Urlaub hatte spannend und unterhaltsam angefangen! 

Ab Klagenfurt war ich dann für ca. 4 Stunden alleine und habe so mehr oder weniger vor mich hingedöst, immer noch die letzten Stunden kreisend im Kopf.

Gegen Fünf füllte sich das Abteil dann wieder und es war aus mit der Nachtruhe. In Livorno angekommen, konnten die Motorräder und Autos recht schnell entladen werden und ich machte mich auf den Weg nach Cannes. Dieser Weg ist recht schnell erzählt - es gibt eine ganz ganz tolle Autobahn an der Cote d'Azur entlang; diese führt hoch über dem Mittelmeer durch gefühlte hunderte Tunnel. Sicher sind es hundert, wieviele es dann wirklich sind, müsste ich nachschlagen - das tue ich jetzt aber nicht mehr - später ergänzend vielleicht. Na, jedenfalls ist diese Straße traumhaft zu fahren, nicht schnurgerade, sondern echt viele langgezogene Kurven, wundervolle Landschaften, sehr ausgesetzte Brücken - Gott sein Dank kein Wind - nicht auszudenken, wenn es dort stürmisch ist, da bläst es dich vom Motorrad runter. Einen kurzen Zwischenstop habe ich noch in Nizza im Shop des Hardrock Cafés eingelegt - und einen Magneten für meine "Magnetentonne" in der Arbeit gekauft. 

Wie gesagt und auch gleich gezeigt, sitze ich jetzt auf einem Campingplatz nicht weit von Cannes und schreibe fleißig. Daher noch ein paar Bildchen von heute unterwegs ;-). Das Bild von der Strandpromenade in Nizza erweckt ganz ganz böse Erinnerungen.

Achja, beim Betrachten der iPhone Bilder gibt es doch noch etwas Erwähnenswertes. Die Autobahnmaut auf italienischer Seite von Livorno zur französischen Grenze beträgt - ca. 240km Mautstrecke: 38 (in Worten: achtunddreißig) EUROS. Unfassbar - und wir beklagen uns über unsere Maut. Zweimal Hin- und Hergefahren und schon ist unsere Maut Geschichte - wie gesagt - einfach unfassbar!
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