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4. Etappe - Riga

11.7. Montag: ... das habe ich ja dann ausnahmsweise mal echt richtig gemacht - es hat gerade angefangen zu schütten - richtig gemacht??? ...

... aber der Reihe nach - ich schaue mir noch die erste Halbzeit des EM Finales Portugal - Frankreich an (1:0, gestern Abend) und irgendwann bin ich dann anscheinend weg - besonders spannend war es ohnehin nicht - der "sterbende Schwan" wurde sehr früh vom Platz getragen - unter tosendem Applaus - vielleicht deswegen - nein, das wäre zu böse. In der Nacht wache ich irgendwann auf und der Fernseher läuft noch - es scheint sich somit doch zu bestätigen, dass Fernsehen das beste Schlafmittel ist. Jedenfalls ist das Spiel aus und ich verstehe nur Bahnhof was da aus der Glotze kommt, drehe die Kiste ab und informiere mich über das Internet. Unfassbar, haben es die Minimalisten doch geschafft. Es wird schon wieder langsam hell - hier ist es 4:30 (in Wien erst 3:30) - genug geschlafen habe ich ohnehin, bleibe noch ein Stündchen liegen, stehe dann auf und packe meine Sachen.
Um kurz nach 6 Uhr sitze ich auf dem Motorrad. Die Wettervorhersage sagt für Vilnus bis Mittag gutes Wetter voraus, in Riga soll es dann schon regen. Hoffentlich erwischt es mich nicht allzu sehr. Kaum fahre ich ein paar hundert Meter, fängt es auch schon leicht an zu tröpfeln. Das gibt es doch nicht, das Regenpech verfolgt mich anscheinend. Dauert aber nicht lange, ich komme aus der Stadt raus, der leichte Regen hört auf und die Straße trocknet auf. Von Zeit zu Zeit kommt sogar die Sonne hervor. 3:53 Stunden sagt das Navi für die 293 Kilometer von Vilnius nach Riga (Hotel Liene). Die ersten 70 Kilometer gehen zügig dahin, kein Regen - dann brauche ich eine Tankstelle - weit und breit nichts von einer Tankstelle zu sehen - die Reserve fängt dann irgendwann an zu blinken, es sollte somit noch für ca. 80 Kilometer halten. Nach 50 Kilometern eine Tankstelle - wow, Glück gehabt - allerdings 100 Kilometer ohne Tankstelle an der Hauptverbindung ist schon äußerst ungewöhnlich. Noch ungewöhnlicher ist, dass mitten in der Pampas auf der Autobahn, plötzlich eine Bushaltestelle auftaucht - was die da zu suchen hat kann ich mir überhaupt nicht erklären. Es führt kein Weg dorthin, es ist aber eindeutig eine Bushaltestelle mit Haltebucht für den Bus - sehr eigenartig! Kurze Zeit später geht die Autobahn in eine Schnell-/Landstraße über.
Die Wolken werden mehr - echt sehr tief hängende Wolken - man könnte meinen, es fällt einem der Himmel auf den Kopf - die Straßen sind nass - aber nur von unten ist es feucht - es muss also vor Kurzem ein Regenschauer durchgezogen sein. Dann werden die Straßen plötzlich links und rechts mehr ;-) - es tauchen vermehrt Polizisten auf - die Grenze - in entgegengesetzter Richtung von Lettland nach Litauen werden anscheinend intensivere Kontrollen durchgeführt. In meiner Richtung geht es ohne anzuhalten weiter. Kurz vor der Grenze rechts rangefahren und noch schnell ein Bild vom Landesschild gemacht und dann weiter. Um 10:15 bin ich in Riga und stehe vor meinem "Hotel" - eigentlich ist einchecken erst ab 14 Uhr, aber die Wirtsleute haben ein Einsehen, richten mir das Zimmer her und ich kann mein Zimmer beziehen.

... richtig gemacht ... es ist 11:50 - es fängt wie aus Kübeln an zu schütten und ich brauche mir über die Dichtheit meiner Handschuhe, heute keine Sorgen mehr zu machen.
Um ca. 14:00 reißt es wieder auf und die Sonne lässt sich schon leicht blicken. Ab in die Innenstadt. Der erste Weg - vom Hotel so ca. 3 Kilometer (es ist nun wirklich keine besonders schöne Gegend wo ich da wohne) - führt mich zum Touristenbüro. Ich kaufe wieder eine Drei-Tages-Karte, mit der es wieder Vergünstigungen bei verschiedenen Museumsbesuchen und sonstigen Aktivitäten gibt, auch die Öffis sind wieder inkludiert.
Die Innenstadt von Riga ist wirklich sehenswert, sehr schöne alte Gebäude in vielen bunten Farben. In der Mitte der Altstadt befindet sich der Dom zu Riga. Die Stadtgründung geht auf das Jahr 1201 zurück - ein deutscher Bischof ist dafür verantwortlich. Übrigens hat die Hanse Stadt Riga einen riesigen Aufschwung bis zum 1. Weltkrieg erfahren, der Zulauf der Menschen war gewaltig, seit einigen Jahren nimmt die Bevölkerung stetig ab und es wird befürchtet, dass in wenigen Jahrzehnten die Bevölkerung von fast 1 Millionen Einwohner auf 500.000 sinkt.
Ich gehe weiter gemütlich durch die Altstadt, bis ich an einem sehr schön angelegten Park ankomme. In diesem ist ein Kanal, der sich von zwei Seiten mit dem Fluss, der Düna verbindet. Hier wird eine Bootstour angeboten und da das Wetter immer besser wird, es eine traumhafte Wolkenstimmung gibt, werde ich mich eine Stunde durch die Gegend schippern lassen. Übrigens ist die Flagge auf dem Boot nicht die österreichische Flagge - Litauen hat eine sehr ähnliche Flagge, nur ist das Rot etwas dunkler und der weiße Streifen etwas schmaler. Die Farbe Rot steht ganz nebenbei bemerkt für Herz, Blut etc. und Weiß für Reinheit. Die Fahrt mit dem Boot hat sich wirklich ausgezahlt - ein toller Blick vom Fluss auf die mächtigen Gebäude der Altstadt.
Am Abend, nach 19 Uhr kehre ich in meine Unterkunft zurück und esse im Hinterhof, dort sind ein paar Tische aufgestellt, Spaghetti Carbonara und trinke genüsslich ein Bier dazu.
Die Menge an Bilder unten sollen für sich sprechen und geben die Eindrücke von dem halben Nachmittag wieder.

12.7. Dienstag: Heute ist spätes Frühstücken angesagt - erst um 9:30. Es gibt das übliche kontinentale Frühstück und noch einen warmen Pancake gefüllt mit Käse. So richtig Pfannkuchen ist das nicht, ist eher wie eine Frühlingsrolle mit dickem Teig. Vielleicht ist es auch deswegen nicht so gut, weil mir das lettische Nationalgetränk, der Rigaer Balsam - zumindest meinten die Wirtsleute, die mich zum mehrmaligen Verkosten gestern Abend 'genötigt' ;-) hatten, man müsste es trinken, wenn man in Riga ist - noch im Magen liegt. Der Rigaer Schwarze Balsam ist Lettlands charakteristischstes alkoholisches Getränk; er hat einen etwas bitteren Duft, eine gelblichbraune Farbe und einen unverwechselbaren Geschmack – ist ein Kräuterschnaps aus 24 Zutaten - angeblich geheimen Zutaten - jedenfalls muss eines von diesen Stamperln schlecht gewesen sein. Ein wenig Kopfweh habe ich auch - aber was soll man machen, ich kann die einheimische Bevölkerung ja nicht beleidigen und das nette Angebot ausschlagen ;-).

So geht es heute etwas später und auch langsamer los. Mit dem Bus fahre ich in die Innenstadt, steige am Hauptbahnhof aus und schaue mir mal die Abfahrtsziele der Züge an. Um 17:30 fahren sowohl ein Zug nach St. Petersburg als auch einer nach Moskau. Schon spannend wie diese Städte von hier zu erreichen sind. Wenige Meter vom Bahnhof entfernt ragt wieder einmal so ein kommunistischer Protzbau in die Höhe - in diesem sind jetzt Büroräumlichkeiten untergebracht und er ist Sitz der Akademie der Wissenschaften. Diese Bauten, war ja schon sehr ähnlich in Warschau mit dem Kulturpalast zu bewundern, sind alle so in den 50iger Jahren unter der Stalin Ära erbaut worden. Sie sollten die Verbundenheit mit dem großen Bruder zeigen und durften natürlich nicht höher, größer sein als das Vorbild in Moskau.
Die Aussichtsplattform des Turms kann man mit einem Lift erreichen und die letzten zwei Stockwerke zu Fuß gehen. Es windet ziemlich heftig, aber die Aussicht von hier oben über die Innen-/Altstadt ist schon toll. Der Blick in die andere Richtung (stromabwärts der Düna) zeigt den Fernsehturm von Riga. Er ist 368,5 Meter hoch, auf einer Insel erbaut und der höchste freistehende Fernsehturm der Europäischen Gemeinschaft. Als ich gestern in der Früh nach Riga hinein gefahren bin - auf der Brücke, die noch soeben im Hintergrund zu sehen ist, tauchte der Turm plötzlich auf und hatte etwas stark Bedrohliches. Die Wolken hingen so tief, man sah die Spitze des Turms nicht und dann dieser monströse Bau - es war irgendwie unheimlich.
Schaut man von der Plattform hinunter, sieht man fünf riesige Hallen. Eine von hier oben quergestellte, dahinter vier längs ausgerichtete. Das sind die Markthallen - ursprünglich wurden diese Hallen für den Bau von Zeppelinen erbaut. Sie umgeben eine ganze Menge Luft und sind echt gewaltig groß. Vor den Hallen werden Gemüse, Dinge des alltäglichen Bedarfs und auch Kleidung verkauft. Jede einzelne Halle hat ein bestimmtes Thema - Fleisch, Gemüse, Fisch, Milch und Gastronomie. Wie immer sind diese gigantischen Markthallen faszinierend. Es gehen zwar dort tausende Menschen am Tag einkaufen, wie jedoch die Waren aus den Regalen, Kühlvitrinen an den Mann/die Frau gebracht werden sollen, ist mir ein Rätsel. Es ist ein unglaublich großes Angebot und sehr vielfältig. Die wechselnden Gerüche zwischen den Markthallen ist ebenfalls sehr beeindruckend ;-).
Es ist früher Nachmittag und ich gehe zurück in die Altstadt - dort ist auch die zentrale Abfahrtsstelle des Hop-on Hop-off Busses. Ich nutze den Gutschein der mit der Drei-Tages-Card ausgegeben wurde und lasse mich eineinhalb Stunden durch die Gegend kutschieren und mir die Stadt per Kopfhörer in meiner Muttersprache erklären. Es ist einfach sehr schönes Wetter, sehr angenehme Temperaturen, so ca. 23 Grad, ideal für einen Stadtbesuch. Später schlendere ich dann nochmals durch die kleinen Gassen der Altstadt, genieße die tiefstehende Sonne die so wunderbar schöne Farben beim Fotografieren hervorbringt. Zwischenzeitlich komme ich noch bei St. Peter vorbei, vor dem sich ein Geschenk der Partnerstadt Bremen befindet - eine Statue der Bremer Stadtmusikanten - nett - ... und die Schnauzen der Tiere abgegrapscht ;-).
Nachdem ich noch am Freiheitsdenkmal von Riga vorbeikomme, geht es dann mit dem Bus wieder zurück zum Hotel. Unterhaltung vom Fernseher gibt es keine, da alle Sender entweder (wahrscheinlich) auf Lettisch oder auf Russisch ausstrahlen. So schaue ich mir am Computer zum wiederholten Male einen meiner Lieblingsfilme an: Verblendung

3.7. Mittwoch: über Nacht hat mich anscheinend die Arbeit eingeholt - um 2 Uhr irgendwas kam eine Mail mit der Durchsicht von einem Projektantrag - den werde ich mir wohl oder übel anschauen müssen. Ich werde mir nach dem Frühstück also mein Notebook einpacken und dann zum Badeort Jurmala fahren. Dort suche ich mir ein schattiges Plätzchen und überarbeite in aller Ruhe den Antrag. Wird also ein ruhiger Tag werden mit wenigen Kilometern zu Fuß.

... wie es dann wirklich abgelaufen ist, ist schnell erzählt. Ich habe nach dem Frühstück die zu bearbeitende Datei runtergeladen und bin dann zum Strand gefahren. Das erste Mal in diesem Jahr Meer - auch wenn es "nur" die Ostsee ist. Bin ein paar Minuten am Strand auf- und abgegangen und habe dann in einem Wäldchen mein Notebook ausgepackt, um den Projektantrag zu überarbeiten. Der Antrag ist ein Gemeinschaftsantrag von mehreren KollegInnen, wobei einer, der Hauptverantwortliche den Antrag bearbeitet. Ich habe den Antrag gesehen, kurz überflogen und dann wusste ich schon, wie sich der Rest des Tages abspielen würde. Packe also wieder meine sieben Sachen, setze mich auf mein Gefährt und fahre zurück zur Unterkunft - da habe ich WLAN und kann per Facetime Audio zumindest mit den anderen KollegInnen telefonieren. Bei allen war das blanke Entsetzen ausgebrochen, was uns der Kollege da rudimentär abgeliefert hat - es ist schlichtweg ein "Nicht Genügend". Von hier aus kann ich nichts machen, jedenfalls nur sehr wenig - die armen KollegInnen in Wien müssen jetzt den Antrag hinbiegen, sodass er bis zum 20.7. einreichfertig ist. Sollte dieser Antrag aufgrund von Formfehlern oder schlecht geschrieben sein, nicht durchgehen, wäre das ein mittlere Katastrophe, da sich die halbe Uni - und das ist genauso zu nehmen - auf uns verlässt. Wie das hinzubekommen ist wird sich zeigen. Der Hauptantragsteller verspricht Besserung und Arbeitseinsatz - wir sind mal gespannt.

Achja - die Lufttemperatur hatte 24°C und die Wassertemperatur 18°C. Zum Baden und Schwimmen vielleicht doch etwas zu kalt, zum Plantschen wie die Kids es unten tun - wohl okay.

14.7. Donnerstag: ... auch heute gibt es nicht viel zu berichten - ich habe mir den Tag anders geplant als ursprünglich gedacht ... nach einer sehr schlecht geschlafenen, mit Bauchweh aufgewachten Nacht - der nicht fertige Projektantrag lag schon sehr im Magen - habe ich mich mit einem minimalen Frühstück auf den Weg zur Straßenbahn gemacht. Ursprünglich wollte ich noch Museen anschauen, aber den Kopf frei wandern/gehen, erachtete ich heute als sinnvoller. 
Ich fahre also mit der Straßenbahn in Richtung Ostsee, steige dann in einen Bus um und besuche noch einen Park mit einem Türmchen, der angeblich eine tolle Aussicht bieten soll. Tja, diese Aussicht ist nicht so toll - typische Vorstadt eben - es sei denn, man benutzt zum Fotografieren das 300mm Teleobjektiv - dann wird's besser - ist zwar nicht okay, es ist aber auch nichts zu erkennen ;-).
Weiter geht's mit dem Bus in Richtung Strand - insgesamt hat die Busfahrt von der Innenstadt eine Streckenlänge von ca. 15 Kilometer - und alles geht mit dem Öffi Ticket, da es noch zu Riga gehört. Ein paar Kilometer vor der Endhaltestelle steige ich aus, habe mir das vorher auf der Karte angesehen und gehe ca. 1 Kilometer quer durch die Landschaft - kleine Wege gibt es - in Richtung Dünen und Sand. Vom Bus ausgestiegen und in den unbekannten Wald hineingegangen komme ich mir etwas wie im Blair Witch Project vor. Man kann sich zwar nicht wirklich verlaufen, aber trotzdem erinnert mich der Wald etwas an dieses Filmprojekt. Interessant sind die Hinweisschilder, die entweder auf Spinnen- oder Zeckengefahr hinweisen. Keine Ahnung, muss ich mal googeln den Text.
Nach ungefähr einem Kilometer wird der Wald lichter und ich stehe vor den Dünen und einem wunderschönen, fast weißen Sandstrand. Die fünf Kilometer zurück zum Hafen machen den Kopf endlich frei und ich sehe, dass Wandern/Gehen eine der besten Methoden ist, sein inneres Gleichgewicht wieder zu finden und dann die Seele baumeln zu lassen. 
Von der Hafeneinfahrt geht es in einer einstündigen Busfahrt zurück in die Altstadt, wo an verschiedenen Punkten Jazz Musiker ihre Kunst zum Besten geben. Unten findet Ihr zwei Beispiele zum Seele baumeln lassen. 
1. Strandspaziergang mit Ostsee Meeresrauchen
2. Jazz in Riga vor dem Hauptbahnhof
Beides bestens für Entspannung geeignet ... und morgen geht es dann weiter - womit, könnt Ihr Euch denken.
... übrigens morgen ... es wird sehr wahrscheinlich schlechtes Wetter - ist ja klar, ich werde morgen nach Tallinn fahren ;-) - daher habe ich Zeit, zumindest bis Mittag, meiner Urlaubssonderbeschäftigung (auch so ein tolles Wort ;)) nachzugehen.

15.7. Freitag: wie angekündigt - es hat die ganze Nacht wie aus Kübeln geschüttet. Um 6 Uhr hat mich ausnahmsweise der Wecker geweckt, da ich ja das Vergnügen habe, meiner zweiten Urlaubsbeschäftigung nachzugehen. Bin um 6:30 aufgestanden und habe mich an die Arbeit gemacht. Jetzt ist es 8:51, der Antrag wieder zurück in die Heimat und mal sehen, wie es dann weitergeht. Fertig ist er noch nicht, aber er nimmt zumindest brauchbare Formen an. Die KollegInnen in Wien leisten tolle Arbeit!
Inzwischen hat es aufgehört zu regnen - zumindest hier - denn das Tief zieht in Richtung Tallinn weiter. Daher werde ich frühestens so um 13 Uhr losfahren, vielleicht fahre ich dann nicht in die abziehende Front hinein. Nässe brauche ich auf einer längeren Strecke nicht unbedingt.

... und weiter geht es mit und in Tallinn ...
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