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3. Etappe - Vilnius
auf ins Baltikum ...

7.7. Donnerstag: ... noch regnet es in Warschau - es ist 7 Uhr - um 10 Uhr soll es ja aufhören. Um 8:30 ist es dann vorbei mit dem Wasser von oben. Ich packe meine Sachen - nehme mein gepacktes Top Case, Helm, Handschuhe und Tunneltasche - und fahre kurz danach los. Ein wenig tröpfelt es zeitweise noch, doch bald schon kommt die Sonne raus und ich freue mich auf eine entspannte Fahrt nach Vilnius. Ich habe wohl Glück gehabt und fahre im Sonnenloch bis nach Vilnius ;-).

Tja, erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. 1,5 Stunden geht es so gut dahin, dann kommen die üblichen Baustellen der neuen Autobahn Süd-Nord oder umgekehrt. Das, was ich schon von Krakau nach Warschau erlebt habe, ist jetzt anscheinend dasselbe in Grün. Dem aber nicht genug, fängt es wieder an zu regnen, soll sein, Regen macht mir ja eigentlich nichts, denn ich bin ja wasserdicht. Plötzlich fängt es aber an, wie aus Kübeln zu schütten - das ist nicht lustig. Die Handschuhe sind nach einiger Zeit durchweicht, unter der Motorradkleidung scheine ich aber trocken zu bleiben. Die Finger werden saukalt und ich mache eine Pause in einer kleinen Bushaltestellenüberdachung (tolles Wort ;-)). Ich brauche eine halbe Stunde, um die Finger wieder "gefühlsecht" zu bekommen - echt - bis dahin fehlt mir das Gefühl in den Griffeln - es kribbelt und beißt. Okay, dann wieder in die nassen Handschuhe und bis zum Ende fahren - um 17:30 bin ich dann in Vilnius.
Die Wetter-Eindrücke sind nur schwer zu beschreiben und werden vielleicht morgen noch mit ein paar Episoden ergänzt ...

... okay, es ist morgen und ein Geschichtchen mag ich noch erzählen. Die besagte Autobahn wird ja gebaut - es herrscht auf der gesamten Streck daher 70km/h Tempolimit - natürlich hält sich keiner dran und alle brausen so mit 90km/h dahin. Zeitweilig ist das Tempolimit von einem anderen Limit mit 50km/h aufgehoben, eben dann, wenn Ausfahrten für Baufahrzeuge vorgesehen sind - und die gibt es eine Menge - Aufhebungen und Baufahrzeuge. Nachdem sehr viel Erdreich bewegt wird, ist natürlich jede Menge Dreck/Erde auf der Straße. Tja, wenn es dann regnet, dann wird aus der Erde Schlamm oder besser viel Wasser mit Schlamm. Zu fahren geht das ja noch, da der Dreck sich nicht zwischen den Spurrinnen der ausgefahrenen Straße befindet. Da "oben" in der Mitte der Spur ist es dann relativ sauber - es schüttet nur. Direkt daneben ist aber die Gegenfahrbahn und die wird, wie auch meine Spur, von Hunderten LKWs befahren. Es ist eben die Hauptverkehrsverbindung von Süd nach Nord. Es kommt also alle paar Sekunden ein LKW entgegen, dieser fährt natürlich in den Spurrinnen, die seine Kollegen in jahrelanger Arbeit ja selber auch ausgefahren haben. Und ... genau ... jetzt wird nicht, wie es vielleicht ohne Baustelle sein würde, nur Wasser aufgewirbelt, sondern viel Wasser durch Starkregen garniert mit einer gehörigen Menge Baustellenschlamm. Das klatscht einem dann so nett aufs Visier. Nachdem es leicht geöffnet ist, sonst würde es beschlagen, gehe ich meiner Kindheitserinnerung nach - Dreck fressen im Sandkasten - nur jetzt eben von dicken LKWs damit beworfen werden ;-).

Jetzt - 21:30 Vilnius - 20:30 Wien etc, habe ich einen Sender an meinem Computer mit DVB-T gefunden, der das Halbfinale überträgt. Bis ich draufgekommen bin, dass Vilnius 1 Stunde vor der Zeit ist, hat etwas gebraucht. Hatte mich schon gewundert, dass es keinen Sender in Litauen gibt, der das Spiel Frankreich - Deutschland überträgt. Tja, die automatische Zeitumstellung an Handy, iPad und Computer und dann das zeitlose "entspannte" - oder auch nicht entspannte - Reisen auf dem Zweirad - ... es geht los!!!

LEIDER - das war nicht notwendig: Frankreich - Deutschland 2:0 - ein Finale mit deutscher Beteiligung hätte mir sehr viel besser gefallen. Wie vor zwei Jahren, als ich auf meiner Tour in Chamonix war (Fußball WM 2014), wäre es nett gewesen, das Finale mit deutscher Beteiligung (ist natürlich eine sehr sehr subjektive Sicht), in einem Lokal mit internationaler Atmosphäre zu sehen.

8.7. Freitag: Heute ist also der erste Tag in Vilnius. Habe mich gestern Abend im Internet schon etwas schlau gemacht, was ich hier alles anschauen und unternehmen könnte. Es gibt vom Tourismus Office eine 3 Tage Vilnius Empfehlung - der Erfahrung nach stellen die Tourismusbüros das immer sehr gut zusammen - und unterwegs sieht man dann ohnehin noch jede Menge anderer Dinge. Also gehe ich von meinem Quartier (Corner Hotel) zum Office und kaufe die Vilnius City Card für drei Tage. Diese beinhaltet neben der Freifahrt mit den Öffis auch eine Unzahl von kostenlosen Museumsbesuchen. Vorher "besuche" ich aber noch eine Drogerie und kaufe ein paar Gel-Einlegesohlen. Mir brennen die Füße und die Blasen an den Unterseiten der Knöcheln sind immer noch vorhanden. Mittlerweile sind sie zwar verheilt, aber es drückt noch ordentlich. Mit den Einlegesohlen stehe ich etwas höher in meinen Schuhen und die Ränder der Schuhe sollten dann nicht mehr auf die Blasen drücken. So ist es dann auch, nachdem ich im mir im Touristenbüro von der netten Office Dame eine Schere ausgeborgt habe und die Einheitsgröße der Einlegesohlen auf meine Schuhgröße zugeschnitten habe, geht es weiter.

Übrigens habe ich im Vorhinein von jeder Stadt auf meiner Tour eine Offline Karte auf mein iPad geladen, sodass ich über GPS und mit der Offline Version kein Datenroaming benötige und immer weiß, wo ich bin und dies dann wie einen Stadtplan verwenden kann. Echt genial und einfach - vor zwei Jahrzehnten war das noch etwas anders ;-).

Mein erster Punkt auf meiner heutigen Tour ist der Kathedralenplatz. Die Kathedrale des hl. Stanislaw und Wlasislaw ist der Haupttempel der Katholiken des Landes. Das Innere der Kathedrale ist für eine katholische Kirche sehr schlicht gehalten, eine Ausnahme bildet die Kasimir-Kapelle im Inneren der Bazilika. Neben der Kathedrale befindet sich der Glockenturm.
Der zweite Besichtigungspunkt ist die Obere Burg und der Gediminas-Turm. Er ist nur wenige Schritte von der Kathedrale entfernt. Es gibt die Möglichkeit auf die kleine Anhöhe mit einer Standseilbahn hinauf- und wieder hinunterzufahren. Ich wähle die einfache Fahrt und werde dann später hinuntergehen. Die auf einer Ebene in der Gediminas-Burg eingerichtete Ausstellung zeigt Rekonstruktionsmodelle der Vilniusser Burgen in der zweiten Hälfte der 14. und des 17. Jhs. Eine weitere Ebene beherbergt eine Ausstellung originaler Rüstungen und Waffen dieser Zeit. 
Eine dritte Ebene zeigt in sehr beeindruckender Art und Weise eine Aktion der drei baltischen Staaten aus dem Jahr 1989, die letztendlich zur Unabhängigkeit der drei Länder im Jahr 1990 führte. Über eine Strecke von 650 Kilometern wurde eine Menschenkette gebildet, die die drei Staaten miteinander verband, unterbrochen durch Teilstücke, die jeweils geschichtliche Ereignisse demonstrierten - eine genauere Beschreibung ist dem englischen Text unten zu entnehmen.
Weiter geht es zum Ensemble der Annen- und Bernhardiner-Kirchen. Die Kirche der hl. Anna ist ein echtes Meisterwerk der Spätgotik; das Äußere der Kirche ist seit nahezu 500 Jahren unverändert bewahrt. Nebenan befindet sich die gotische Kirche des hl. Franziskus und Bernhard. Beide Kirchen sind von ihrer Architektur sehr beeindruckend und sind, gegenüber der Basilika, im Inneren "aufwendiger" ausgestattet.
Nun führt mich der Weg zum Stadtviertel Republik Uzupis. Dieses Stadtviertel ist Die Republik der Künstler, die eine eigene Verfassung, einen eigenen Präsidenten und Bischof haben. Weiters gibt es noch zwei Kirchen, einen Friedhof und sieben Brücken, sowie einen zentralen Platz mit der Skulptur des "Schutzengel von Uzupis" - was es alles gibt.
Das Wetter ist herrlich, die Straßencafés sind bevölkert und die Menschen genießen die Sonne.
Der nächste Punkt ist ein wunderschöner Garten. Der Bernardinu-Garten liegt direkt im Zentrum von Vilnius und ist einem Park aus dem XIX. Jahrhunderts nachgebildet. Nachdem ich jetzt schon einige Zeit auf den Beinen - oder besser auf den Einlegesohlen-Füßen ;-) bin - setze ich mich hier auf eine Bank und schaue dem Treiben der Menschen zu. Es gibt sehr viele junge Mütter mit Kinderwagen und/oder ihren kleinen Kindern die sich hier aufhalten. Kinder spielen am Springbrunnen, der in immer wiederkehrender Reihenfolge, in Wasserstockwerken von unten beginnend bis ganz nach oben mit einer Fontäne endet, bis er dann komplett in sich zusammenbricht und das Spiel von Neuem beginnt.
Nach dieser angenehmen Pause im Park gehe ich auf den Gerdimino-Prospekt. Diese Straße verbindet das historische Stadtzentrum, den Kathedralenplatz und das Parlament. Auf dem Weg komme ich am Vincas-Kudirka-Platz vorbei, auf dem das Denkmal für den Autor der litauischen Nationalhymne steht. Genau gegenüber befindet sich das Museum für die Opfer des Genozids (das KGB-Museum). Dieses werde ich aber nicht mehr besichtigen, da ich schon längere Zeit auf den Beinen bin und meine Füßchen sich langsam wieder bemerkbar machen. Stattdessen setzte ich mich in ein Straßencafé und esse und trinke eine Kleinigkeit.

9.7. Sonntag: ... es regnet ... es ist Urlaub, also drehe ich mich nochmal in meinem Bett herum - später werde ich dann entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten Frühstücken gehen und dann auf besseres Wetter warten. Die Wettervorhersage sagt zumindest keinen Dauerregen voraus - und damit lässt sich ja schon etwas anfangen.
Es hat aufgehört zu regnen und nach einem Frühstück - das Frühstücksbuffet ist ein Witz, immerhin kostet es nichts (sie haben auf mich vergessen ;-)) - geht es dann um 10 Uhr Richtung "zweiter Tageswanderung". Ich fahre erst mit dem Bus in die Innenstadt, von wo ich zum ersten Punkt des Tages gehe. 

Der Präsidentenpalast und die Universität Vilnius. Beides ist mitten in der Stadt gelegen, nur unweit von der Kathedrale. Der Präsidentenpalast ist in keinster Form gesichert, es könnte auch ein Museum sein. Ich kann bis zu den Stiegen gehen und es ist kein Mensch - also kein Wärter/Beamter/Sicherheitspersonal/Militär ... - zu sehen. Ist schon komisch, das Sicherheitsdenken hier ist noch auf einem ganz anderen Level; sehr angenehm und irgendwie beruhigend. Vor dem Präsidentenpalast weht die Flagge von Litauen, der EU und der Nato. Das macht die Sache dann doch wieder etwas beunruhigender, vor allem, wenn man die täglichen Berichte in den Nachrichten über die beabsichtigte verstärkte Nato-Präsens hier - in den baltischen Staaten - liest, und die entsprechenden Reaktionen aus dem Kreml beobachtet. Ich bin schon jetzt sehr gespannt, wenn ich mit Sankt Petersburg in eine andere Gesinnung eintauche.
Weiter geht es zur Pilies-Straße und zur Didiolji-Straße. Die Pilies-Straße ist eine der ältesten und beliebtesten Ausflugsorte der Altstadt. Auf dieser Straße führte einst der Weg in das Schloss des Großfürsten und sie stellt eine Verbindung zwischen Burg und Ausros-Tor dar (s.u.). Heute ist sie von Touristen belebt, die sich trotz Regens nicht aufhalten lassen, an den vielen Ständen mit Souvenirs, vor dem Regen geschützten Gemälden und entlang von Cafés auf- und abzuschlendern. Es gibt halt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung - trotzdem wird das Wetter nicht gerade besser. 
Randbemerkung - es ist nahezu unmöglich in Vilnius zu fotografieren, ohne dass eine Kirche irgendwie mit abgebildet wird. So viele Kirchen auf engstem Raum habe ich noch nicht gesehen. Ich gebe es also auf diese Bauwerke weiter zu verfolgen ;-), hineinzugehen und zu fotografieren.
Am Ende der beiden Straßen angekommen, befindet sich das Rathaus auf dem Rathausplatz (okay, wie soll der Platz auch sonst heißen). Das Rathausgebäude (über dem Eingang steht tatsächlich Vilniaus Rotušė - kann man sogar richtig deuten) ist im klassizistischem Stil restauriert worden und ist heutzutage mit dem Rathausplatz, Veranstaltungsort verschiedener Stadtveranstaltungen. Heute findet dort, wie anscheinend überall heute in Vilnius, eine Hochzeitsfeier statt - ich hoffe die Brautleute verzeihen mir, dass sie in diesem Reisebericht abgebildet sind. Es dürfte sich um ein "geschätzteres" Brautpaar handeln, da das Rathaus nicht zu besichtigen ist. Ich bedauere nur das Brautpaar, da es kein besseres Wetter erwischt hat - Fotos im Regen sind auch nicht schön - und dann das lange Brautkleid, das hoffentlich nicht all zuviel Schmutz abbekommt. Im Laufe des Tages komme ich noch an einigen Hochzeitspaaren vorbei und auch Kommunionsfeierlichkeiten dürften heute vermehrt stattfinden. Kirchen gibt es ja genug - wenn man nicht gerade auf eine Kirche fokussiert ist, wird man schon die Möglichkeit einer zur Verfügung stehenden Kirche finden - so viele kirchlichen Feierlichkeiten kann es an einem Tag gar nicht geben, wie es - wie gesagt - Kirchen in Vilnius gibt.
Der Weg führt mich dann zu dem angesprochenen Ausros-Tor welches sehr nett anzuschauen ist und das Ende der Altstadt bildet. Ich gehe durch das Tor hindurch, links ums Eck in eine kleine Gasse auf der anderen Seite der Stadtmauer entlang. Der Wechsel von der Innenstadt zum äußeren Teil ist ein Bild wie Tag und Nacht - auch das ist Vilnius - aber wahrscheinlich findet man diese krassen Gegensätze zwischen sehr schön restauriert/gepflegt und verwahrlost in allen Städten.
Heute bin ich zu faul, um den ganzen Weg wieder zurückzugehen. Wozu habe ich auch ein Drei-Tages-Ticket für die Öffis. Ich schaue mir also den Plan an der Bushaltestelle an und sehe, dass hier die Nummer 10 vorbeikommen wird, die in weiterer Folge dann auch das Corner Hotel anfahren sollte, lese den Zeitplan und tatsächlich in 4 Minuten kommt ein Bus. Hinein in den Bus und an vielen bekannten und besuchten Orten vorbei, bis der Bus dann eine Richtung einschlägt, die ich nun überhaupt nicht kenne. Er überquert den Fluss Neris und fährt immer weiter stadtauswärts, genau entgegengesetzt wo ich eigentlich hin möchte. Okay, dumm gelaufen - macht aber nichts, dann bekomme ich eben eine Stadtrundfahrt der anderen Art - auch die Stadtrundfahrt habe ich ja bezahlt ;-). Irgendwann sagt der Busfahrer dann "Alle aussteigen" - zumindest wird es so oder so ähnlich gewesen sein, weil alle den Bus verlassen - ich als letzter - denn meine Kenntnisse der litauischen Sprache entsprechen nicht dem nötigen Standard. Es befindet sich immerhin ein kleines Einkaufszentrum hier, das werde ich mal meiner Besichtigungsaktivität unterziehen ;-) - es lohnt sich nicht sonderlich, sodass ich die Buslinie 10 in umgekehrter Richtung wieder benutze. Wir überqueren den Fluss Neris erneut und ich sehe wieder bekannte Orte - steige aus und suche mir die Bushaltestelle, die mich zurück zu meiner Unterkunft bringt. Bis der Bus kommt habe ich noch ein paar Minuten und ich "studiere" den Plan der Öffis etwas näher, wie sie dort gekennzeichnet und eingetragen sind. Tja, tatsächlich fährt die Nummer 10 zu meinem Hotel, doch ist es nicht die blaue 10 sondern die rote 10. Die blauen Busse sind "normale" Busse, die roten Busse sind Busse mit Oberleitung, also O-Busse - da muss man erst mal drauf kommen, dass die Zahlen der Busse doppelt vergeben werden.

Mein Riecher, jetzt zurückzukommen war gut; kaum bin ich im Hotel, fängt es wieder an zu schütten. Ich werde also heute nichts mehr unternehmen, sondern mal einen der im Vorhinein heruntergeladenen Filme anschauen. Wahrscheinlich wird es der letzte Mission Impossible werden (der, der in Wien in und um die Oper gedreht wurde).

.... also dann bis morgen ;-).

... nein, nicht bis morgen - ich habe mich nach Tom Cruise und Wien nochmal aufgerafft und bin vom Corner Hotel in den sehr nahe gelegenen Alles-Supermarkt gegangen (MaXima) - hier bekommt man von Schuhen (seitdem gekauft - heute Nachmittag - tun mir die Füße nicht mehr weh :-)))), bis hin zu Festplatten, Fernsehern und natürlich Bier ;-) - so ziemlich alles, auch Imprägnierspray für meine Motorradhandschuhe. Bin mal gespannt, ob das beim nächsten Wolkenbruch auch hält.
Wie gesagt, ich habe mich nochmals aufgerafft und bin zu dem Markt gewandert. Im Obergeschoss gibt es verschiedene Restaurants und ich habe mich der Einfachheit halber für eine Pizzeria (CanCan) entschieden - sie bieten aber auch andere Gerichte an. Die Tischgruppen sind echt nett gestaltet, sie symbolisieren Eisenbahnabteile mit Koffern im Gepäcknetz, den entsprechenden Sitzen usw.
Die Pizza (nur Schwammerln - frisch, nicht aus der Dose!) und 2 große lokale Biere waren echt gut. Bekommt man bei uns auch nicht anders - nur der Preis war anders - 6,15€ - wie das geht, weiß ich nicht. 
... so, jetzt aber wirklich bis morgen ...

10.7. Sonntag: ... die ganze Nacht hat es geschüttet - jetzt um 7:30 hat es aufgehört. Heute wird es nicht so viel zu berichten geben, da erstens das Wetter nicht super werden soll und ich zweitens einen Kinobesuch eingeplant habe. Also noch ein halbes Stündchen liegenbleiben, dann ein kurzes Frühstück - langsam gewöhne ich mich daran - und los zur nächsten Bushaltestelle, um mit dem Bus zum Fernsehturm zu fahren. Er liegt im Grünen auf einer Anhöhe etwas außerhalb der Innenstadt und ist von einigen Wohnblöcken umgeben. Leider öffnet der Turm zur Besichtigung erst um 11 Uhr, sodass ich 45 Minuten Zeit habe, um durch die Gegend zu schlendern. Ich gehe an den Wohnblöcken entlang und sehe ziemlich verkommene Bauten. Oft bröckelt der Putz ab, Betonstücke sind herausgebrochen - hier fehlt wirklich das Geld.
Um 11 Uhr geht es also auf den Turm - 19 Stockwerke bis in 165 Meter Turmhöhe - dort befindet sich ein Restaurant - der Turm ist insgesamt 326 Meter hoch. Das Restaurant, wie erwartet, dreht sich natürlich. Im Aufzug ist ein Angebot von Kaffee und Kuchen angekündigt - das nehme ich und lasse mich im Kreis drehen ;-). Naja, schnell ist es nun wirklich nicht, für eine komplette Umrundung braucht es 45 Minuten. Immerhin ist die Aussicht sehr schön, es regnet nicht und es lädt zum Fotografieren ein.
Dann geht es wieder abwärts, wo es im Erdgeschoss eine Ausstellung zu besichtigen gibt. Es handelt sich dabei um den Vilniusser Blutsonntag (13.1.1991). Der Klarheit halber, und weil es unter dem Hintergrund der Okkupation der Krim und der jetzigen zunehmenden Unterstützung der Nato für die baltischen Staaten hochaktuell ist, werde ich ausnahmsweise und auszugsweise Wikipedia zitieren:
1. "Der Vilniusser Blutsonntag bezeichnet die Ereignisse des 13. Januar 1991 in Vilnius, als bei den Demonstrationen für die Freiheit und Unabhängigkeit Litauens von der Sowjetunion vierzehn Menschen ums Leben kamen und mehr als 1000 Menschen verletzt wurden. Sie wurden nach offiziellen litauischen Angaben teilweise von sowjetischen Panzern überrollt, teilweise erschossen."  
2. "Moskau war nicht bereit, die Unabhängigkeit der baltischen Staaten hinzunehmen und reagierte in der Zeit vom April bis Mai 1990 mit einer Rohstoffblockade, die die Wirtschaft Litauens lähmte. Am 10. Januar 1991 forderte Generalsekretär Michail Gorbatschow das kommissarische Staatsoberhaupt Litauens Vytautas Landsbergis auf, die sowjetische Verfassung anzuerkennen und damit auf die Unabhängigkeit zu verzichten. Am 13. Januar 1991, dem Vilniusser Blutsonntag, versuchten Moskau-treue Kräfte sich mit Unterstützung sowjetischer Militärs an die Macht zu putschen. Dabei starben insgesamt 14 unbewaffnete Zivilisten, die Parlament und Fernsehturm in Vilnius verteidigten, über 1000 wurden verletzt. Der Putsch misslang. Als Antwort auf die blutigen Ereignisse fand am 9. Februar 1991 ein Referendum statt. Bei einer Wahlbeteiligung von 85 % stimmten 90,5 % der Wähler für ein unabhängiges Litauen. Das isländische Parlament beschloss als erstes in der Welt, Litauen als unabhängigen Staat anzuerkennen.
Gorbatschow erklärte das Referendum für ungültig, das Fernsehgebäude blieb bis auf Weiteres besetzt. Bei einem Überfall der OMON-Truppen auf einen litauischen Grenzposten wurden sieben Grenzer getötet.
Nachdem im August 1991 auch in Moskau der Putschversuch kommunistischer Hardliner fehlgeschlagen war, wurde Litauens Unabhängigkeit innerhalb kürzester Zeit von über 90 Staaten anerkannt.
Die Gewalt des Vilniusser Blutsonntages stand im deutlichen Gegensatz zu der Gewaltlosigkeit des vorangegangenen Unabhängigkeitsprozesses und machte deutlich, dass die Unterdrückungsmechanismen der Sowjetunion auch in der Zeit von Perestroika und Glasnost noch wirksam waren. Letztlich führten die Demonstrationen in Litauen wie im gesamten Baltikum zur Unabhängigkeit der dortigen Staaten." (Wikipedia, 10.7,2016, 18:37, Ortszeit Vilnius)

Dies ist also die neuere geschichtliche Vergangenheit von Litauen bzw. der baltischen Staaten. Jedem, den es interessiert, kann ich die Fotografien der Originalbilder zur Verfügung stellen. Die Bilder hier im Reisebericht würden den Umfang sprengen.
Dann geht es zurück ins Hotel und ich bin um 18 Uhr wieder auf meinem Zimmer. Heute Abend ist noch das EM Endspiel, bin echt gespannt wie es wird - wie letztens schon gesagt, eine deutsche Beteiligung wäre mir deutlich lieber gewesen ;-) - das hätte auch die Spannung erhöht - aber man kann nicht Alles haben.

... für heute genug. Morgen geht es dann weiter nach Riga - die Wettervorhersage verheißt leider nichts Gutes - somit habe ich mir heute Morgen meine Handschuhe mit einem Imprägnierungsspray ordentlich eingesprüht. Mal sehen ob das dicht hält wenn es wieder so schütten sollte. Alles Andere hält ja trocken - wenn die Nässe wieder durch die Handschuhe dringen sollte und ich wieder eiskalte Finger bekommen sollte, werde ich mir wohl oder übel ein paar Goretex Handschuhe kaufen müssen. Diese Handschuhe aus Sympatex Material sind nun wirklich nur Schrott.
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